
Eine Art Karenzzeit zur Fehlerbeseitigung gibt es nicht. Hat ein Arbeitgeber gegen das Mindestlohngesetz verstoßen und wurde er vom Zoll erwischt, droht ihm ein saftiges Bußgeld. 2018 wurden allein 39 Ordnungswidrigkeitsverfahren in den Regionen Minden-Lübbecke, Herford und Lippe vom Hauptzollamt Bielefeld in die Wege geleitet. Und der Einsatz des Zolls geht weiter.
Ein Mindestlohnverstoß ist kein Kavaliersdelikt. Das kriegen Unternehmen und sonstige Arbeitgeber spätestens seit Einführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) im Jahr 2015 zu spüren, denn der Zoll hält ein Auge drauf. Ergibt sich im Zuge einer Ermittlung, beispielsweise im Rahmen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, der Verdacht, dass in Arbeitsverträgen beziehungsweise bei Arbeitsverhältnissen gemauschelt wurde (z.B. die Angestellten müssen die gleichen Arbeitsstunden wie vor Einführung des Gesetzes ableisten, obwohl das mit dem gezahlten Lohn laut Mindestlohngesetz nicht vereinbar ist), wird vom zuständigen Zollamt ohne Umschweife ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in die Wege geleitet, dass nach § 21 MiLoG ein Bußgeld bis zu 30.000 oder sogar bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen kann.
Kirsten Schüler, Pressesprecherin des Hauptzollamts Bielefeld, erklärte dazu auf unsere Nachfrage in einem Telefonat am 30. April, wie ernst es um das Thema steht: Die 39 Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWi-Verfahren) wegen Nichteinhaltung des Mindestlohns seien nicht das Einzige, was die Zollbeamten aufdeckten. Auch wurden in 2018 49 OWi-Verfahren wegen Nichterfüllung der vorgeschriebenen Stundenaufzeichnung eingeleitet. Außerdem wurden gegen „einen guten Teil“ Strafverfahren eingeleitet wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Im Einsatzgebiet des Hauptzollamts Bielefeld seien so im vergangenen Jahr im Zuge der Kontrollen insgesamt 197 Fälle gezählt worden.
Allein am 11. und 12. September 2018 waren im Bezirk des Hauptzollamts Bielefeld 174 Einsatzkräfte der ‚Finanzkontrolle Schwarzarbeit‘ (FKS) der Zollverwaltung unterwegs, um die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren. „In unterschiedlichen Branchen wurden 872 Personenbefragungen und 122 Geschäftsunterlagenprüfungen durchgeführt. 12 Ermittlungsverfahren wurden aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse bisher eingeleitet, davon sechs Ordnungswidrigkeitenverfahren. Zu 70 festgestellten Sachverhalten sind weitere Ermittlungen der FKS erforderlich“, heißt es in der Pressemeldung vom 17. September.
Da alle Arbeitgeber (auch in Privathaushalten) mit Sitz im Inland oder Ausland, soweit sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen, zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet sind, und sich die Höhe des „allgemein gesetzlichen Mindestlohns“ ab dem 1. Januar 2019 in vielen Branchen auf 9,19 Euro pro Stunde erhöht hat (2015/2016: 8,50, 2017/2018: 8,84 Euro pro Stunde) sowie mittlerweile fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Mindestlohn profitieren können (Ausnahmen siehe auf der Webseite des Zolls, höhere Mindestlöhne siehe DGB-Bericht), überprüfte der Zoll zuletzt am 23. März dieses Jahres in einer Großaktion bundesweit die Einhaltung der Mindestlohnregelungen.
Dabei befragten die 2858 Zöllnerinnen und Zöllner über 14.015 Personen zu ihren Arbeitsverhältnissen und führten 2164 Geschäftsunterlagenprüfungen bei Arbeitgebern durch. Zudem wurde der Zoll durch 102 Beschäftigte anderer Behörden unterstützt. Die Einsatzkräfte prüften insbesondere im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, in Friseur- und Kosmetiksalons einschließlich Nagelstudios, im Taxigewerbe, in Spielhallen sowie Wach- und Sicherheitsdienste. Im Anschluss wurden 129 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon 73 OWi-Verfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz (laut Pressemeldung vom 26. März).
Insgesamt habe der deutsche Zoll im vergangenen Jahr bundesweit deutlich mehr Verstöße gegen das Mindestlohngesetz als in den Vorjahren aufgedeckt. Die Zahl sei von 1316 Fällen in 2015 auf 6220 Fälle in 2018 gestiegen, wovon 2744 Fälle Mindestlohn-Unterschreitungen waren laut Jahresbilanz auf der Webseite von Zoll online.
In der Bilanz heißt es auch, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen Gesetzesentwurf vorgelegt habe, der am 20. Februar 2019 vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Die zuständige Sondereinheit beim Zoll soll dahin gehend massiv gestärkt werden und die FKS erhalte zusätzliche Befugnisse und deutlich mehr Personal. Weil illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und Sozialleistungsbetrug die Gemeinschaft schädige, sei es wichtig, dass der Staat entschlossen gegen Verstöße vorgehe und dafür sorge, dass die Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden.
Wie viele Mindestlohnverstöße das Hauptzollamt Bielefeld im laufenden Jahr 2019 zu verzeichnen habe, konnte Pressesprecherin Schüler nicht beantworten. Nach alledem gibt sie aber entschlossen mit auf den Weg: „Arbeitgeber sollen gefälligst ihren Beschäftigten unverzüglich den Mindestlohn zahlen. Der Zoll wird das prüfen. Wir kommen vorbei.“