
Protonenstrahlen machen wieder die Runde. Nach zwei Jahren intensiver Pflege, mehreren Monaten der Vorbereitung und einem Kurzschluss im Magneten Ende März stand Ostersonntag, 5. April 2015, einem Neustart des „Large Hadron Collider“ (LHC), dem leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt am Genfer CERN, auch „Weltmaschine“ genannt, nichts mehr im Weg.
Gegen 10.40 Uhr machte ein Protonenstrahl die Runde durch den 27-Kilometer-Ring, gegen 12.30 Uhr der nächste in die entgegengesetzte Richtung. Die Teilchenstrahlen wurden mit einer Injektionsenergie von 450 GeV (Gigaelektron Volt) in Umlauf gebracht. Damit ist der LHC wieder in Betrieb.
„Der Strahl hat ohne Probleme die ganze Maschine umrundet. Es ist fantastisch, das nach zwei Jahren und vielen Umbauarbeiten so glattgehen zu sehen“, sagt CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer. „Ich freue mich riesig – genauso wie alle anderen Leute im CERN-Kontrollraum und vermutlich alle Kollegen aus der Gemeinschaft der Teilchenphysiker.“

Auch die Kontrollräume der Detektoren waren voll besetzt. Die Detektoren konnten zwar noch keine Kollisionen, dafür aber sogenannte „Splash events“ aufzeichnen, die zeigen, wie der Teilchenstrahl den Detektor durchquert.
Außerdem gab es Osterhasen und Ostereier für alle, die in der Schicht waren.„Die Rückkehr der (Monitor-) Balken am LHC belohnt viele intensive harte Arbeit von vielen Teams“, freut sich Paul Collier, Leiter der CERN-Beam-Abteilung. „Es ist sehr befriedigend für unsere Mitarbeiter, wieder im Fahrersitz zu sein und den Beschleuniger Schritt für Schritt auf Strom zu bringen.“
Die „technische Haltestelle“ des LHC war eine Herkulesaufgabe. Rund 10.000 elektrische Verbindungen zwischen den Magneten wurden konsolidiert. Magnet-Schutzsysteme wurden hinzugefügt, während Tieftemperatur, Vakuum und Elektronik verbessert und verstärkt wurden. Jetzt geht der LHC in die zweite Saison. Dank der Arbeit in den letzten zwei Jahren wird es mit beispielloser Energie arbeiten – fast doppelt so der ersten Staffel.
In den kommenden Tagen werden die Betreiber alle Systeme auf steigende Energie der Strahlen überprüfen. Die nächsten Wochen werden genutzt, um alle Systeme zu kontrollieren und einzustellen, damit dann die Strahlenergie auf 6,5 TeV (Teraelektron Volt) pro Strahl erhöht werden kann. Im Sommer wird es dann erste Kollisionen geben, von denen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über das im Jahr 2012 entdeckte Higgs-Teilchen oder sogar Anzeichen von neuer Physik erhoffen.

„Der LHC hat mit der Entdeckung des Higgs-Teilchens schon Geschichte geschrieben”, betont auch DESY-Teilchenphysikdirektor Joachim Mnich. „Der Neustart mit deutlich höherer Energie gibt uns die Chance, in neue, unbekannte Regionen vorzustoßen und neue physikalische Phänomene, wie zum Beispiel die Dunkle Materie, nachzuweisen. Alle beteiligten Teilchenphysiker blicken jetzt mit Spannung nach Genf.“
„Nach zwei Jahren der Anstrengung ist der LHC gut in Form“, merkt Frédérick Bordry, CERN-Direktor für Beschleuniger und Technologie, an. „Aber der wichtigste Schritt kommt erst noch, wenn wir die Energie der Strahlen auf neue Rekordwerte steigern.“
Mit noch vor dem Sommer erwarteten 13 TeV Proton-Proton-Kollisionen werden die LHC-Experimente bald Neuland erkunden. Der Brout-Englert-Higgs-Mechanismus, dunkle Materie, Antimaterie und Quark-Gluon-Plasma stehen bereits auf der „Speisekarte“ der LHC-Saison 2.
„Der Betrieb des Beschleunigers zum Nutzen der Physik-Gemeinschaft ist es, was CERN ausmacht“, sagt CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer abschließend. „Heute schlägt CERN’s Herz wieder an den Rhythmus des LHC.“
Quellen: CERN, Weltmaschine – eine holprige Übersetzung an der einen oder anderen Stelle bitten wir zu entschuldigen.
Zur Erklärung: CERN steht im Französischen für „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“. Es handelt sich hierbei um die Europäische Organisation für Kernforschung, eine Großforschungseinrichtung bei Meyrin im Kanton Genf in der Schweiz.