
„Servus beinand.“ Es gibt sie wirklich, die Oktoberfeste, die tatsächlich nur im Monat Oktober stattfinden, auch im Kreis Minden-Lübbecke. Aber sie sind rar geworden. Wir konnten lediglich zwei aktuelle Termine im Mühlenkreis finden, die ihrem Namen gerecht werden, und erklären, wie es vor über 200 Jahren überhaupt zu dem „Hype“ Oktoberfest kam.
Unter dem Motto „Liaba an Bauch vom saufa ois an Buckl vom arbatn“ (Lieber einen Bauch vom Trinken als einen Buckel vom Arbeiten), bekleidet in traditionell bayrischer Trachtenmode (Frau im Dirndl, Mann in Lederhose), haben sich Oktoberfeste seit dem Mauerfall vor rund 30 Jahren zu den beliebtesten Veranstaltungen Deutschlands entwickelt und finden mittlerweile das ganze Jahr über statt. Selbst die berühmte Wiesn in München lässt ihre Gäste schon am 21. September auf den Festplatz. Auch das Mindener Oktoberfest findet im September statt, um ein Beispiel aus unserer Stadt zu nennen. Ein Jammer, wenn man bedenkt, was alles als „Oktober“-Fest bezeichnet wird und welche ursprüngliche Geschichte sich doch dahinter verbirgt.
Die Termine im Mühlenkreis, die es unserer Ansicht nach verdienen, besonders erwähnt zu werden, sind das Oktoberfest Lübbecke und das Bad Oeynhausener Oktoberfest. Die Veranstaltungen nennen sich Oktoberfest, finden – zumindest im Jahr 2019 – nur im Monat Oktober statt, bieten Livemusik aus Bayern, Bierausschank und alles, was man für eine richtige Wiesn-Gaudi braucht.
Nachdem das geklärt ist, kommen wir zur Geschichte des Oktoberfestes, die, wer hätte es gedacht, in der Landeshauptstadt des Freistaates Bayern begann:
Das erste Oktoberfest war ein Pferderennen
Überlieferungen zufolge sollen zahlreiche private und öffentliche Feiern anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig I. (Ludwig Karl August, König von Bayern) und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (auch: Therese von Bayern, seit 1825 Königin von Bayern) vom 12. Oktober 1810 an über mehrere Tage in der Stadt München stattgefunden haben. Ein Hochzeitstermin, der wohlwissend auf den Namenstag von Ludwigs Vater, König Maximilian I. (auch „Max Joseph“ genannt), gelegt wurde. Eine Möglichkeit, sich selbst zu inszenieren und zu feiern, kam der damals noch jungen Nation gerade recht.
So wurden die Mitglieder der Nationalgarde und ihre Familien, die zu den „oberen 6000“ zählten, in vier Gasthäusern zum Essen und Tanz geladen (150 Musikanten spielten auf), während das Volk in der Innenstadt von München an Tischen und Bänken im Freien verköstigt wurde mit Semmeln (Brötchen), Schweizer Käse, Schaffleisch, Cervelatwürsten und „geselchten Würstl“ (gepökelt, geräuchert und gekochte Würstchen). Dazu servierte man Bier und österreichischen Weißwein. Einer von den „oberen 6000“ wollte sich aber besonders hervorheben:
Der Münchner Kaufmann, Bankier und Major der Kavallerie bei der Königlich Bayerischen Nationalgarde, Andreas Michael Dall’Armi, organisierte und veranstaltete am 17. Oktober 1810 zum Abschluss der Feierlichkeiten ein Pferderennen auf der Theresienwiese (genauer: „Theresiens Wiese“, benannt nach der Prinzessin). Gedacht zur öffentlichen Huldigung (Ehrung) an das Brautpaar, sorgten 30 Pferde und ihre Reiter für Unterhaltung auf einer 11.200 Schuh (3270 Meter) langen Rennbahn. Außerdem wurde für Ludwig und Therese ein Pavillon errichtet – das einzige Gebäude auf dem Festgelände, das ihnen ermöglichte, Huldigungen an sich und das Königshaus entgegenzunehmen, zum Beispiel von 16 Kinderpaaren (32 Kindern) in Trachten.
Ein Spektakel, das etwa 40 bis 50.000 Zuschauer vom Hang aus miterleben durften. Die Theresienhöhe (früher: Sendlinger Berg, heute auch ein Stadtteil von München) diente dabei als natürliche Tribüne für die Zuschauer des Pferderennens auf „Theresiens Wiese“. Der Pavillon für das Brautpaar stand gegenüber der Tribüne. Für den Bau eines neuen Königszeltes blieb allerdings keine Zeit. So drapierte man Erzählungen zufolge kurzerhand ein über 120 Jahre altes türkisches Audienzzelt auf dem Festplatz, das Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern (auch „Blauer Kurfürst“ genannt) 1687 im Großen Türkenkrieg (1683-1699) erbeutet haben soll – streng bewacht am Feiertag von Militär und Nationalgarde.
„Do legst di nieda!“ Die Rede ist somit von der heute 42 Hektar großen Theresienwiese (kurz: „Wiesn“, mundartlich: „d’Wiesn“ von „auf der Wiese“), auf der seit 209 Jahren beziehungsweise zum 186. Mal das Münchner Oktoberfest ausgerichtet wird. Nur, dass eben die Gäste übers Gelände hetzen und nicht mehr die Pferde, nicht mehr nur die Kinder in Trachten erscheinen und das Hofbräu-Festzelt fest in bayrischer Hand ist – demnach so eine Mischung aus Innenstadtfeier und Pferderennen-Festplatz von damals darstellt.

Zu seiner eigentlichen Bekanntheit gelangte das Oktoberfest aber erst, als das Rennen im Folgejahr am 13. Oktober 1811 wiederholt wurde – inklusive angehängtem Landwirtschaftsfest des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern (1810-1937), gedacht als Ausstellung der inländischen Viehzucht.
1812 ging das Oktoberfest schon über zwei Tage, 18. und 19. Oktober, und wurde vom König als „Nationalfest zur Ermunterung und Beförderung der Landwirtschaft“ genehmigt, in dessen Rahmen wieder ein Pferderennen stattfand.
1818 kamen erste Karussells und Schaukeln dazu.
1824 würdigte die Stadt München Andreas Michael Dall’Armi als „Begründer des Münchner Oktoberfests“ und überreichte ihm die erste goldene Bürgermedaille. Das Familiengrab der Dall’Armis (er verstarb am 27. April 1842 in München) befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof (Gräberfeld 14, Reihe 12, Platz 55/56).
1826 dauerten die „Belustigungen“ auf der Theresienwiese bereits zehn Tage an, vom 8. bis 17. Oktober, und wurden mit einem Feuerwerk abgeschlossen.
Am 26. Oktober 1854 verstarb Therese aus Bayern in München als Opfer der Cholera. Sie hinterließ neun Kinder und ihren liebenden Ehemann Ludwig, mit dem sie 44 Jahre lang verheiratet war. König Ludwig I. verbrachte seine letzten Stunden am 29. Februar 1868 in Nizza, seinem Heimatland Frankreich, wurde auf seinen Wunsch hin aber in München begraben.
1890 trat Buffalo Bill mit einem Tross von Indianern, Cowboys und Tieren im Rahmen seiner Europatournee auf der Theresienwiese auf. Ab 1896 folgten die ersten großen Bierzelte. Das ging dann so weiter, mit immer mehr Attraktionen.
Soweit das Auge reichte, fanden die Oktoberfeste also traditionell im Monat Oktober statt.
Bis es 1935 ausuferte. Das „Oktober-Nationalfest“, das von der SS (Schutzstaffel im Naziregime) begleitet wurde, öffnete bereits am 21. September seine Tore und dauerte bis zum 6. Oktober an. Ein Wandel, der im Laufe der Geschichte wohl der Entwicklung von Transportmitteln (Bus, Bahn, Auto, Flugzeug) und der stetig wachsenden Besucherzahl zu verdanken ist, die im Jubiläumsjahr 1985 (JubiläumsWiesn) die bis dato ungeknackte Marke von 7,1 Millionen erreichte (2018 wurden 6,3 Millionen Besucher gezählt).
Obwohl 1960 das letzte Pferderennen stattfand, gewann das Münchner Oktoberfest im 20. Jahrhundert also an Internationalität und Popularität. Die Ansammlung von feiernden Menschenmassen nutzte allerdings auch ein mutmaßlicher Attentäter aus, der am 26. September 1980 einen Bombenanschlag verübte und der „Nazi-Szene“ zugeordnet wurde. 13 Tote und über 200 Verletzte waren die Folge.
Zudem musste das Oktoberfest bisher 24 Mal ausfallen, wovon 20 bekannt sind, und zwar 1813 wegen der Napoleonischen Kriege, 1854 und 1873 wegen Cholera, 1866 aufgrund des Preußisch-Österreichischen und 1870 des Deutsch-Französischen Kriegs, 1914 und 1918 im Ersten Weltkrieg. 1919/20 fand nur ein kleines Oktoberfest statt. 1923/24 musste abgesagt werden wegen Inflation. 1939 bis 1945 hinderte der Zweite Weltkrieg an der Ausrichtung, und in den Jahren 1946 bis 1948 fanden nur Herbstfeste statt.

Ein „Trostpflaster“ war da die Deutsche Wiedervereinigung, im Rahmen dessen 1990 der 3. Oktober von der Bundesregierung zum „Tag der deutschen Einheit“ erklärt wurde. Ein offizieller Feiertag für alle in Deutschland, der der Münchner Wiesn gerade recht kam. Denn egal, auf welchen Wochentag er fällt, der 3. Oktober wird seitdem immer mit einbezogen in das Oktoberfest. 2023 können sich die Gäste daher voraussichtlich auf 18 Tage Wiesn-Gaudi freuen.
Für Nostalgie-Freunde, die Gemütlichkeit lieben und einen ungefähren Eindruck bekommen wollen, wie es damals war, hat das Oktoberfest in München übrigens die „Oide Wiesn“ im Südteil des Festgeländes eingerichtet. Dort findet man unter anderem das rund 150 Jahre alte „M.A.Schichtl“-Theater, in dem die „Enthauptung einer lebenden Person“ illusioniert wird, die Bonbon-Manufaktur mit einer Lutscher-Maschine, Bonbon-Walze und einem Verkaufswagen aus dem Jahr 1938, historische Karussells aus dem 20. Jahrhundert sowie das Museums- und Herzkasperl-Festzelt, wo einen Musik und Wiesn-Exponate erwarten (siehe Infos auf der Münchner Website).
Nichtsdestotrotz – Oktoberfeste, die ausschließlich im Oktober stattfinden, wie einst von der bayrischen Königsfamilie vorgesehen, sind rar geworden und finden mittlerweile das ganze Jahr über in hunderten Städten Deutschlands statt, weil sie sich aufgrund des großen Besucherinteresses und Spaßfaktors zu sicheren Einnahmequellen (insbesondere für Brauereien) entwickelt haben.
Andere Zeiten. Andere Sitten.
Wen es nach dieser Geschichtsexkursion auf das Münchner Oktoberfest zieht, findet alle Informationen auf der Website www.oktoberfest.de. Wer einen Teil der Geschichte auf dem heimischen Bildschirm erleben möchte, den könnte die Produktion der neuen TV-Serie „Oktoberfest 1900“ interessieren.
Auf jeden Fall wissen Sie jetzt, liebe Leserinnen und Leser, wie es zu dem „Hype“ Oktoberfest kam. Wenn Sie jemand fragt „weißt du eigentlich, wann das erste Oktoberfest war?“, können Sie kurz und knapp antworten „ja, 1810, war aber ein Pferderennen“ und auf unseren Bericht verweisen.
Um der lieben Wahlheimat Willen gibt’s noch ein paar Archivbilder aus Minden. Eine Stunde, bevor die Mindener Wiesn 2014 erstmals am Preußen-Museum stattfand und etwa 3500 Gäste empfing, konnten wir einen Blick ins Festzelt erhaschen und die Gastgeber (Johann Zilke, Mirjana Lenz und Christina Kopp von der Minden Marketing GmbH sowie Klaus, Alina und Lars Rohlfing von der Kotelett-Schmiede) für ein Gruppenfoto begeistern. Außerdem machte „Würzbuam“ gerade einen Soundcheck. Die Band kam geradewegs von den Münchner Wiesn.
Selbstverständlich haben wir auch einmal ein Oktoberfest besucht. Ist zwar eine Weile her, aber vielleicht gefallen Ihnen unsere Archivbilder von der Nordhemmer Wiesn 2014 in Hille (wo auch unser Titelbild entstand), als die Partyband „Bayernmän“ für Stimmung sorgte und die Gäste auf den Bänken und Tischen tanzten:
Quelle: wiesnkini.de, Wikipedia.org, bavarikon.de, oktoberfest.de, muenchen.de, nordbayern.de, stadt-muenchen.net, redensarten-index.de, Zusammenfassung/Umformulierung/Ergänzung: OctoberNews – Sämtliche Angaben sind sorgfältig recherchiert – Änderungen und Irrtümer vorbehalten.