
Während der Modellbahn-Schautage 2016 am vergangenen Wochenende konnten nicht nur echte Dieselloks Kraftstoff tanken, sondern auch zahlreiche Besucher beim Modell-Eisenbahn Club (MEC) Minden auf dem original Deutsche-Bahn-Gelände eine ganze Fantasieregion in Aktion bestaunen.
Authentischer kann man die Welt der Eisenbahnen wohl nicht erleben. Wer kleine Züge in der Stadt Minden beim MEC in Aktion sehen will, muss erst mal an den echten großen vorbei. Denn auf dem Gelände des Clubheims befindet sich neben historischen Gebäuden auch eine Energietankstelle der Deutschen Bahn, an der Dieselloks und Züge aus den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) Kraftstoff tanken.

Und wer könnte sich besser um das Gelände kümmern als (ehemalige) Bahnbedienstete, die ihren Beruf zum Hobby gemacht haben. Zusammen mit rund 50 Vereinsmitgliedern statteten sie nicht nur ihr Clubhaus in einem der Bahnhofsgebäude im Obergeschoss mit Original-Sitzbänken, -Tischen und -Gepäckablagen eines ausgeschlachteten Personenbeförderungszuges aus.

Sie errichteten auch auf einer rund 25 Quadratmeter großen Anlagefläche eine H0-Modellbahnanlage im Maßstab 1:87 mit cirka 400 Meter Märklin-Gleisen, 81 Weicheneinheiten und fast 100 Signalen, auf denen etwa 15 bis 20 Züge zum Einsatz kommen. „Die Gemeinschaftsanlage ist jetzt 30 Jahre alt, wurde 1986 gebaut“, erklärt MEC-Vorsitzender Friedhelm Bake. „Der Verein existiert ja jetzt schon 66 Jahre. In diesen Räumen sind wir schon seit 50 Jahren aktiv. Die Deutsche Bahn ist ja Grundstückseigentümer und unser Vermieter, zu dem wir ein sehr gutes Verhältnis haben. Denn wir kümmern uns um alles – Haus und Anlage. Daher werden wir hier noch lange bleiben.“
Dabei verändert sich das Aussehen der Modellbahnanlage ständig: mal muss ein Teil neu begrünt werden, dann entsteht ein Skatepark mit Graffiti-Wand, ein ganzes Gebirge mit Burg und Mittelalterfest, vor dem „Unserberger Hof“ werden Hotelgäste eingewiesen, Bundeswehreinsatzkräfte marschieren auf einer Bergroute und Windkrafträder sorgen für erneuerbare Energien. Schaut man genauer hin, entdeckt man sogar einen Nacktbadestrand am Flussufer und ein bisschen versteckt in der Ecke eine wunderschöne Wassermühle sowie eine Anhalterin am Wegesrand.

Obwohl es sich nicht um den Nachbau Ostwestfalen-Lippes handelt, entdeckt man in der Fantasie-Region zwischen den zahlreichen Tunneln und Landschaften doch die Keilstück-Skulptur von Minden, Barre und Porta Möbel Lkws und die Externsteine. Apropos Steine: Tatsächlich wurden auch echte Bruch- und Kieselsteine in den Bergen verbaut, die Mitglieder gesammelt hatten.
Als besonders eindrucksvoll ist der belebte Hauptbahnhof sowie der Ringlokschuppen mit Drehscheibe zu nennen, während die unterschiedlichsten Schienenfahrzeuge an Wäldern und Städten vorbeifahren, wie beispielsweise Güterzüge und moderne ICEs. Auf Wunsch wird auch der historische „Rheingold Express“ von 1928 auf die Gleisen gesetzt.

Eines haben wir jedenfalls gelernt seit dem schweren Zugunglück von Bad Aibling: Der Fahrdienstleiter hat die verantwortungsvollste Aufgabe im Zugverkehr. Nicht anders verhält es sich beim Modell-Eisenbahn Club e.V. in Minden (Westf.) – nur in wesentlich kleineren Dimensionen. Trotz akribisch genauem Einstellen der Weichen, Signale und Geschwindigkeit am Stellpult sowie ständigem Beobachten von Dioden, die von Rot auf Weiß und umgekehrt automatisch schalten, steckte ein Zug im Innersten der Anlage fest und musste von dem 11-jährigen Konrad Holsmölle unter dem Tisch befreit werden.
„Das kommt öfters mal vor, dass ein Zug entgleist oder sich irgendwo verklemmt“, erklärt sein Vater Andreas Holsmölle (45). Das sei – im Gegensatz zu den „Großen“ – aber nicht weiter tragisch und das Problem schnell wieder gelöst. Schließlich waren fünf Fahrdienstleister an dem Hauptpult und dem Stellpult für den Schattenbahnhof damit beschäftigt, dass alles in geregelten Bahnen läuft. Dabei blieben jeweils zwei Mitglieder in telefonischer Verbindung, um sich untereinander abzusprechen.
Unter „Schattenbahnhof“ versteht man übrigens den Platz, wo die Züge versteckt abgestellt werden. Zum Beispiel im Nebenraum, in dem sich das Herz der Modellbahnanlage befindet: eine raumhohe Anlage mit ‚zig Platinen bestückt – jede für eine andere Funktion, wie beispielsweise die Beleuchtung von Häusern, das Bewegen von Fahrzeugen, Weichenstellen oder Betreiben der Wassermühle. Mit einem Oszilloskop wird die elektrische Spannung im Auge behalten und verschiedenste Prüfgeräte laufen „on top“, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Außerdem stehen Mini-Spezialwerkzeuge zur Verfügung, um kleinere oder größere Reparaturen an den Modellbahnen vornehmen zu können. Denn die Mitglieder reparieren alles selbst und tauschen untereinander ihre Erfahrungen und Kenntnisse aus – die sie auch gern an Außenstehende weitervermitteln. „Senioren kennen sich mit der neuesten Technik meist nicht aus“, bemerkt Bake. Daher gibt der Verein mit seinen erfahrenen Ingenieuren auch Unterricht in Elektronik, Steuerung und Technik der neuesten Generation. „Heutzutage gibt es sogar Modellzüge, wo sich die Türen selber öffnen und schließen.“
Ansonsten treffen sich zurzeit rund 13 MEC-Mitglieder regelmäßig zwei Mal in der Woche zum Clubabend – jeweils Montag und Freitag ab 20 Uhr. Ein Mangel an Mitgliedern besteht nicht, weiß der Vorstandsvorsitzende. Die Jugend sei zwar etwas verhaltener aufgrund der modernen Computerspiele – „in den 50er Jahren hatte ja jeder Junge eine Eisenbahn – heute kann man virtuell Eisenbahn spielen“ -, ist aber dennoch gut dabei.
„Im Sommer grillen wir auch auf der Terrasse“, ergänzt Bake, „und können dabei vorbeifahrenden echten Zügen zuschauen.“ Authentischer können Modellbahnfreunde wohl nicht ihrem Hobby frönen.
Unter den Kindern der Besucher wurden im Übrigen Edeka-Modelllastwagen verschenkt. Interessierte konnten zudem ausrangierte Schienen, Züge und Häuser gegen eine geringe Spende erwerben. Für das leibliche Wohl wurde ebenfalls gesorgt.
Weitere Informationen über den MEC findet man auf der Homepage www.mec-minden.de. Doch nun zu unserer Bilderstrecke: