Entdeckt: Ruine Ellerburg in Espelkamp

Gesichert wie eine Baustelle und doch scheint es an der Ellerburg-Ruine in Espelkamp nicht weiterzugehen – Fotos: onm

Rundherum Idylle am Ortsrand von Fiestel: Glasklares Wasser plätschert in der Großen Aue, ein belebter Bauernhof gegenüber, gut erhaltene Fachwerkhäuser direkt nebenan (davon mindestens eins bewohnt) und eine über 400 Jahre alte Linde mittendrin. Im Kreis Minden-Lübbecke gelegen, umgeben von Ur-Natur und historischer Architektur, sticht eine Ruine wie ein Dorn ins Auge: der traurige Rest der einst stattlichen Wasserburg Ellerburg.

Ein Trip ins Blaue am vergangenen Sonntag führte uns in den Nordosten Nordrhein-Westfalens (NRW). Von Minden aus über Hille, Frotheim, an Gestringen vorbei ging es geradewegs über die Gestringer Straße durch Fiestel – eine rund 1000-Einwohner-Ortschaft im Süden der ostwestfälischen Stadt Espelkamp. An der westlichen Grenzlinie von Fiestel angelangt wurden wir auf ein Schild aufmerksam: „Erlebnis Ellerburg – Sicherung und Erlebbarmachung der Burgruine Ellerburg“. Als Bauherr und Förderer werden genannt: die Stadt Espelkamp, der Heimatverein Fiestel e.V., Herrenhäuser und Parks im Mühlenkreis e.V. sowie die NRW-Stiftung Natur-Heimat-Kultur.

Das Fachwerkhaus mit der Hausnummer 3 strahlt im neuen Glanz, als wäre es nie gealtert

Neugierig geworden suchten wir einen Parkplatz und hielten vor gut erhaltenen Fachwerkhäusern, ein kleines und ein großes, eingezäunt zwischen steinernen Löwen und bewohnt, wie zwei schwarze Wachhunde lauthals verkündeten. Ein Haufen alter Mauersteine gut sichtbar auf dem Grundstück gelagert verrät: Die Burgruine kann nicht weit entfernt sein.

Tatsächlich befanden wir uns bereits mitten auf den Freiflächen des historischen ehemaligen Hofgeländes. Zahlreiche uralte Bäume, ein winziger schlosspark-ähnlich angelegter Garten mit einer Holzbank, Rundbeeten und alten Rosenstöcken, eine freistehende Gartentür nahe einer grünen Holzhütte, die auch schon bessere Tage gesehen hatte, sowie ein weiteres denkmalgeschütztes, beeindruckend hergerichtetes Fachwerkhaus mit der Hausnummer 3 lassen erahnen, wie lebhaft es hier einst gewesen sein muss.

Und dann eröffnete sich uns ein Blick auf die Ellerburg bzw. das, was von ihr übrig geblieben ist. Umschlossen von einem sichtbaren Graben (westfälisch: „Gräfte“), dessen Wasser längst versiegt ist, führt eine baufällige steinerne Brücke zur geschätzt gerade mal ein Hektar großen, viereckigen Burginsel (auch „Gräfteninsel“ genannt), auf der die Burgruine thront.

Die steinerne Brücke war einst der Hauptzugang über den Wassergraben zur Ellerburg – für ihr Alter von wohl über 600 Jahren ist sie erstaunlich gut erhalten geblieben

Durch Bauzäune aus der Ferne ansatzweise zu erkennen sind circa ein bis zwei Meter hohe Grundmauerreste, schmiedeeiserne Zaunelemente, Bogeneingänge, die anscheinend ins Kellergehöft führten, eine steinerne Treppe, über die man vermutlich ins Obergeschoss gelangte, Ranken und Zahlen in Stein gehauen, eine Holzklappe mit schmiedeeisernen Beschlägen und Reste der Außenmauer zum Wassergraben. Dass die Ellerburg auch einen kleinen Innenhof gehabt haben muss, beweist wahrscheinlich die riesige Linde, die laut verschiedener Quellen um die 400 Jahre alt sein muss.

Auf jeden Fall handelt es sich hier um einen geschichtsträchtigen Ort, wie sich nach unserer Recherche herausstellte, um den seit fast 30 Jahren kontrovers diskutiert und gestritten wird. Angefangen habe alles mit der Gründung des Fördervereins Ellerburg am 8. Februar 1990, der sich 21 Jahre lang für den Erhalt der Burg einsetzte, Ende 2011 aber die Auflösung beschloss (lt. Bericht nw.de), nachdem die Stadt Espelkamp und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) auf ihr im Februar/März 2007 vorgestelltes Handlungskonzept beharrten, das den Abriss der Ellerburg mit anschließend begehbarer Ruine beinhaltete.

Ein schlossparkähnlicher Garten schließt sich dem Burgareal an, ist aber stark verwildert

Eine vollständige Wiederherstellung der Ellerburg und des Areals in historisierender Form würde laut Kostenschätzung des LWL (sowie Architekten, Bauzeichnern, Landespflegern und dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege) aktuell mindestens 4,5 bis 5 Millionen Euro verschlingen. Schon 1994 seien nach einem Gutachten des Planungsbüros Schmitz und Partner aus Aachen für die vollständige Sanierung rund 6,5 Millionen DM (Deutsche Mark, umgerechnet ca. 3,25 Mio. Euro) angesetzt worden. Weiter heißt es in dem Konzept von 2007: „Aus diesen Zahlen ist zu erkennen, dass eine Sanierung der Gebäudesubstanz in hohem Maße unwirtschaftlich war und ist. Die hohen Kosten bei geringer Nutzfläche, aber auch die fehlenden Möglichkeiten und vielleicht auch die mangelnde Bereitschaft der Eigentümer, in Verbindung mit der öffentlichen Hand in die Substanz zu investieren, haben zu dem heutigen Zustand geführt.“

Schließlich wurde das herrschaftliche Anwesen – ursprünglich bestehend aus einem Haupthaus und einem Burghaus mit Innenhof und Außenanlagen, das erstmals 1397 nachweislich im Besitz der Familie von Münch war (lt. Ebitat – Burgendatenbank), ab dem ca. 16. Jahrhundert in das Eigentum des Ritteradels zu Benkhausen überging, dann aufgrund der Erblinien und Verschuldungen oft den Besitzer wechselte – im Jahr 1825 durch Zwangsvollstreckung von der Familie von der Horst (westfälisches Uradelsgeschlecht aus dem Fürstbistum Osnabrück) erworben.

In einem alten Obst- und Gemüsegarten nebenan wachsen zurzeit Nektarinen

Das zuletzt im damaligen Kreis Lübbecke wohl bekannteste Amt übte Adolf von der Horst von 1838 bis 1870 als Landrat in der Ellerburg aus. Nachdem er (lt. hedem.de) 1834 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Militärdienst entlassen wurde, wählte der Kreistag am 7. April 1838 ihn zum zweiten Kandidaten für das Landratsamt. Zunächst unter Vorbehalt im Dienst, wurde er schließlich – nach einer Eignungsprüfung bei der Bezirksregierung Minden – am 9. März 1839 endgültig zum Landrat ernannt. Unter anderem veranlasste er den Bau einer ersten ausgebauten Kreisstraße in der Region, wofür er im Volksmund mit der Bezeichnung „Horst Höhe“ geehrt wurde. Bis fast auf den Tag genau zehn Jahre vor seinem Tod (30. Juli 1880) führte er das Landratsamt bis zu seiner Entlassung auf Gesuch am 28. Juli 1870 aus.

Nach Erzählungen befand sich das Gut dann noch bis in die 1990er Jahre im Besitz der Familie von der Horst. Doch als der Wassergraben im Zuge des Aue-Ausbaus trockengelegt wurde und Luft an die Holzpfähle kam, begann wohl das Holz zu verrotten. Die letzten Bewohner zogen in den 1980er Jahren aus der Ellerburg aus (lt. Ausführungen hedem.de/ellerbur). Seitdem stand das Wasserschloss zu Fiestel anscheinend leer.

Endgültig aufgelöst wurde der Gutsbezirk Ellerburg vollends am 1. Oktober 1928 (lt. Wikipedia). Dann tat sich eine ganze Weile gar nichts (außer das Erstellen eines Gutachtens im Jahr 1994, s.o.), bis im September 2004 die Stadt Espelkamp die Immobilie aufkaufen musste, weil die Eigentümerfamilie von der Horst ein Enteignungsverfahren gegen sich selbst in die Wege leitete.

Fiestel – hier ist die Dorf-Welt noch in Ordnung, wenn da nicht das Problem mit der Ellerburg wäre

Mehrere Anläufe, die mittlerweile über 600 Jahre alte Wasserburg vom weiteren Verfall zu retten, scheiterten in den Folgejahren. Letztendlich beschloss man im März 2012 den Abriss der Gebäude. Im Mai 2014 wurde die Ellerburg bis auf die Grundmauern abgerissen. Zu sehen sind aktuell aus der Vogelperspektive nur noch die Grundrisse, Keller und einige „Versatzstücke“ (s. Bilder und Bericht NRW-Stiftung).

Zumindest hat sich die NRW-Stiftung dazu entschieden, die Burganlage als Bodendenkmal einzutragen.

So stellte sie im März 2016 einen Zuschuss in Höhe von 140.000 Euro dem Heimatverein Fiestel zur Verfügung, der damit die Ruine Ellerburg und den Burghof für erste Baustellenarbeiten sichern sollte – was auch getan wurde der von uns gesichteten Einzäunung nach zufolge. Anschließend sollte der Wassergraben wiederbelebt werden, womit die Stadtwerke Espelkamp beschäftigt wurden. Doch erst im Dezember 2017 gab André Köster von der Bauverwaltung bekannt, dass für dieses Vorhaben „die wasserrechtliche Erlaubnis inzwischen erteilt worden sei“ (s. Bericht nw.de). Dann gab es aber witterungsbedingte Verzögerungen, sodass erst nach Ostern 2018 mit den Arbeiten begonnen werden könnte (s. Bericht nw.de). Geplant sei, den Burggraben mit Regenwasser aus der nahegelegenen Siedlung zu speisen.

Die Große Aue in Fiestel ist vorbildlich naturnah für Fische angelegt, in ihr fließt glasklares Wasser

Ob, wann und von wem Sanierungsarbeiten in den vergangenen Monaten an der Ruine Ellerburg vorgenommen wurden bzw. noch werden, ist nach unserem Besuch nicht ersichtlich. Der Heimatverein Fiestel ist jedenfalls noch aktiv unterwegs (der o.g. aufgelöste Förderverein ist zwischenzeitlich in den Heimatverein übergegangen lt. rottenplaces.de) und möchte gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft Fiestel, dem Verein Herrenhäuser und Gärten und der Stadt Espelkamp die Ellerburg samt Parkanlage wieder herrichten und in noch nicht absehbarer Zeit der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Inwieweit der hinter den Fachwerkhäusern zwischen Straße und Feldrand gelegene alte Obst- und Gemüsegarten zum umgebenden Areal der Burg gehört, wird leider nirgends beschrieben. Zumindest erweckt es den Anschein, denn er ist genauso verwildert wie das gesamte Gutsgelände. Allerdings deuten gefüllte Wasserflaschen auf einen Gebrauch hin, jede Menge Tomaten wachsen auf dem vermoderten Beet und der Nektarinen-Baum trägt reichlich Früchte.

Abschließender Kommentar unserer Redakteurin: „Insgesamt gesehen ist das Ellerburg-Areal ein sehr interessanter Ort voller Geschichte im Kreis Minden-Lübbecke, der meiner Meinung nach unbedingt erhalten und gepflegt sowie möglichst in den Ursprungszustand versetzt werden sollte. Für die Mindener Rathaus-Sanierung, den RegioPort Weser und andere Großprojekte reicht das Geld doch auch im Mühlenkreis, oder?! Außerdem kann sich die vermüllte Bastau in Minden (s. unser Bericht) ein Beispiel an der Großen Aue in Fiestel mit ihrem glasklaren Wasser und natürlichen Verlauf für Fische nehmen.“

Doch nun zu unserer vollständigen Bildergalerie:

Quelle: Wikipedia, Ebitat – Burgendatenbank, hedem.de, Neue Westfälische, LWL, NRW-Stiftung, OctoberNews


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