
Am 21. Oktober 2016 fiel das Internet aus. Aber woran lag es? Und warum hat der Monat Oktober in vielerlei Hinsicht eine Bedeutung in der Geschichte des Internets? Wir haben recherchiert. Es wird Zeit für unsere siebte Oktober-Geschichte.
Das Internet ist seit über 30 Jahren in der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, für einige Institutionen sogar seit über 50 Jahren.
Erinnern Sie sich noch an die Geburtstagsfeier im Jahr 2019? Als unter dem Hashtag #HappyBirthdayInternet weltweit Glückwünsche in den sozialen Medien verbreitet wurden und Suchmaschinen mit Medienberichten rund um die Geschichte des Internets überquillten? Oder gehörten Sie zu dem Anteil in Deutschland, die seinerzeit noch „offline“ waren? Weil Sie mit dem Internet nichts zu tun haben wollten, es nicht brauchten, noch keinen Anschluss hatten oder Ähnliches.
Das dürfte sich spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang des Jahres 2020 und den damit verbundenen Homeoffice- und Homeschooling-Pflichten, aber auch vermehrten Streaming- und Gaming-Angeboten, geändert haben. Seitdem ist der Anteil an Internetnutzern um etwa 40 bis 50 Prozent gestiegen.
Ohne Internet geht fast gar nichts mehr in der heutigen Zeit – bei Finanzangelegenheiten, Nachrichtendiensten, im Marketing, in der Unterhaltungsbranche, in der Wirtschaft und Industrie, bei der Energieversorgung und vieles mehr.
Da mag man sich nicht ausmalen, was passiert, wenn das Internet zusammenbricht. Muss man auch gar nicht, denn das Worst Case-Szenario ist vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich einmal eingetreten.
Um nachvollziehen zu können, warum das Internet überhaupt ausfallen kann, sollte man jedoch erst einmal wissen, was mit dem Begriff Internet überhaupt gemeint ist, in dem wir uns tagtäglich wie selbstverständlich bewegen.
Was ist das Internet?
Die Kurzfassung:
Das Internet ist ein internationaler Verbund von Computernetzwerken.
Zur Verdeutlichung stellen Sie sich einfach vor, Sie haben Zuhause einen Office-PC, ein Notebook und ein Smartphone. Alle drei internetfähigen Endgeräte sollen nun untereinander „kommunizieren“ (sprich: Daten austauschen) können. Also verbinden Sie zu einem Heimnetzwerk (z.B. über den Router und entsprechenden Freigaben). Schon haben Sie ein Computernetzwerk erschaffen.
Nun haben die Nachbarn ein Haus weiter ebenfalls ein Heimnetzwerk eingerichtet. Schon finden sich zwei Computernetzwerke in der Gegend.
Damit diese zwei unabhängig voneinander eingerichteten Computernetzwerke ebenfalls Daten untereinander austauschen können, stellen Sie und Ihre Nachbarn jeweils eine Kommunikationsverbindung her (z.B. per Remote oder über WLAN). Schon können alle Beteiligten auf die jeweils anderen Daten zugreifen.
So ein Verbund von Computernetzwerken (auch autonomes System genannt), lässt sich millionenfach ausweiten. Da gibt es weltweit Universitäten, Forschungsinstitute, Firmen und vor allem Provider, die ihre leistungsstarken Computer entweder regional oder national verbinden und somit riesige Datenmengen austauschen.
Damit sich so viel wie möglich autonome Systeme auch international verbinden können, wurden Schnittstellen gebildet, die sogenannten Internet-Knoten1vgl. Internet-Knoten, Wikipedia – wobei ein Internet-Knoten oft aus mehreren Rechenzentren besteht, deren Netzwerkinfrastrukturen miteinander verbunden sind. Einer der weltweit größten Internet-Knoten mit den meisten Datendurchsätzen steht in Deutschland: der DE-CIX in Frankfurt am Main. Am Abend des 9. August 2022 meldete DE-CIX einen neuen Rekord von 12,43 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde2vgl. Pressemeldung DE-CIX v. 10.08.2022.
An der Wortwahl können Sie sicher erkennen: Das DE-CIX ist nicht der einzige Internet-Knoten auf der Welt. Derzeit existieren laut Peeringdb.com 1044 Internet-Austauschknoten (IXPs), wovon über 300 wohl kommerziell betrieben werden.
Zusammen gesehen bilden alle autonomen Systeme samt Internet-Knoten das Internet – damit Menschen und Maschinen weltweit Informationen abrufen, veröffentlichen und Daten austauschen können (z.B. per E-Mail, Chat oder Videoschaltung, während Online-Computerspielen, auf Webseiten, um Software-Aktualisierungen durchzuführen usw.).
Möglich machte das zum einen das 1969 ins Leben gerufene ARPANET, dessen Geschichte wir uns im nächsten Abschnitt widmen, und zum anderen die Erfindung des WWW (World Wide Web), die es erst ermöglichte, Inhalte aus dem Internet abzurufen, wie wir es kennen (z.B. durch Eingabe einer Internetadresse in die Adresszeile eines Browsers oder das Abrufen von Informationen über Suchmaschinen).
Erfunden wurde das World Wide Web 1989 von dem Londoner Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee. Während seiner Arbeitszeit in der schweizerischen Forschungseinrichtung CERN (bekannt für den Teilchenbeschleuniger, siehe unser Archiv-Bericht von 2015) entwickelte er ein Projekt, das auf dem Prinzip des Hypertexts beruhte. Die erste von ihm entwickelte Website ist bis heute unter der Internetadresse http://info.cern.ch (als Kopie) abrufbar. Es ist also wichtig zu wissen:
Das World Wide Web ist nicht gleichzusetzen mit dem Internet. Erst beides zusammen ermöglicht es, sich in der heutigen Form im Internet zu bewegen.
Aber wer hat nun das Internet erfunden? Unser Versuch einer Zusammenfassung:
Die Erfindung des Internets
Am 29. Oktober 1969 wurde das Internet erfunden!?
Nun, nicht ganz. Das Datum steht für die Erfindung des ARPANETs3vgl. Arpanet-Wikipedia, dem Vorläufer des Internets. Den Begriff „Internet“ kannte man zum genannten Zeitpunkt noch nicht.
Die Abkürzung ARPANet stand damals für „Advanced Research Projects Agency Network“, auf Deutsch: Agenturnetzwerk für fortgeschrittene Forschungsprojekte. Wobei der englische Begriff NETWORK als der wichtigste Wortbestandteil angesehen werden kann. Es dreht sich nämlich alles um Netzwerke, somit die
Verbindung und Kommunikation möglichst vieler Endgeräte über weite Strecken.
Doch anders als zum herkömmlichen Telefon mit reiner Sprachfunktion sollte ein Computernetzwerk geschaffen werden – anfangs über die alten Telefonleitungen. So vergab im April 1969 eine kleine Forschungsgruppe des US-Verteidigungsministeriums namens ARPA (Advanced Research Project Agency, 1958 gegründet von Dwight David „Ike“ Eisenhower4vgl. Dwight D. Eisenhower – Wikipedia) den Bau eines kleinen Netzwerkes von Computern in Auftrag, welche durch Gateways (heute: Router) verbunden waren.
Gemeinsam mit den Erkenntnissen aus der „Paketvermittlung“5vgl. Paketvermittlung-Wikipedia, die am 5. August 1968 erstmals in Großbritannien vorgestellt wurden, dem UNIX Mehrbenutzer-Betriebssystem6vgl. Unix-Wikipedia für Computer von Bell Labs, das im August 1969 entwickelt wurde, dem Konzept für ein „Intergalactic Computer Network“7vgl. Intergalaktische Computernetzwerke – Wikipedia, das im August 1962 durch die Informatiker J.C.R. Licklider, Leo Beranek, Richard Bolt und Robert Newman öffentlich wurde, und weiterem Wissen aus verschiedenen Projekten entstand so in den USA erstmals ein Netzwerk-Verbund von Großrechnern (Computern), der von Universitäten und Forschungseinrichtungen genutzt werden konnte.
Und dann war es soweit: Die erste Internetnachricht „lo“ wurde am 29. Oktober 1969 über das ARPANET übertragen. Eigentlich sollte es „login“ heißen, aber bei der Übertragung des Buchstaben „g“ brach die Verbindung ab.8vgl. z.B. Bericht im Spiegel von 2019
Interessant dabei ist, dass diese in die Geschichte eingehende Textnachricht von einem Interface Message Processor in Flurschrankgröße, der passenderweise auf einem Campus-Flur in Los Angeles stand, aus zu einem Institut nahe San Franzisko gesendet wurde (lesen Sie die Geschichte samt Foto im Bericht der Daily Bruin von 2011).
Letztlich expandierte das ARPANET in den 1970er Jahren zu einem Netzwerk von Netzwerken. So wurden beispielsweise Ende 1969 vier Host-Computer zum ursprünglichen ARPANET zusammengeschlossen. Allerdings war das alles noch so ein internes Ding der US-Institutionen.
Erst mit einer Demonstration des ARPANET-Computerkommunikationsnetzwerks auf der ersten International Computer Communication Conference (ICCC) vom 24. bis 26. Oktober 1972 im DC Hilton Hotel in Washington wurde die neue Netzwerktechnologie der Öffentlichkeit vorgestellt9vgl. Bericht Internet Society von 1997 – organisiert von dem gebürtigen New Yorker und lebenden Legende Robert Elliot Kahn10vgl. Robert E. Kahn – Wikipedia.
Kahn demonstrierte live während der Sitzungen, wie es ist, wenn man das Hilton in Echtzeit mit dem ARPANET verbindet und ohne Hardware- oder Softwarekenntnisse Zugriff auf Nicht-ARPANET-Seiten erhält.11vgl. Einladungsschreiben von Kahn zur ICCC v. 12. Juli 1972 Ein Aufruf an die damalige Netzwerkgemeinschaft, entsprechende Websites für die Demonstration zur Verfügung zu stellen, half dabei, sein Vorhaben erfolgreich umzusetzen. In die heutige Zeit übersetzt würde das in ungefähr bedeuten, dass das DC Hilton Hotel in Washington der erste Standort war, von wo aus man öffentlich zugängliche Informationen übers Internet in Echtzeit abrufen konnte.
Von dem Begriff InterNet (Abkürzung für „Interconnected Network“) wurde allerdings erst Jahre später gesprochen – genauer am 1. Dezember 1974 in der Specification of Internet Transmission Control Program12vgl. SemanticScholar, herausgegeben von Vinton Gray Cerf13vgl. Vinton G. Cerf – Wikipedia, Yogen K. Dalal14vgl. Yogen Dalal auf The History Of Computercommunications und Carl A. Sunshine – unter Regie von Kahn und anderen hochrangigen Informatikern.
Da es sich beim ARPANET, das offiziell erst am 28. Februar 1990 stillgelegt wurde, um ein sogenanntes Subnetz des frühen Internets handelt, wird das Datum, an dem die erste Internetnachricht versendet wurde, eben als Tag der Erfindung des Internets gefeiert.
Und dann das …
Internet-Ausfall im Oktober 2016
Was niemand über die bis dahin vergangenen vier Jahrzehnte für möglich gehalten hat, trat am 21. Oktober 2016 ein: Das Internet fiel aus. In vielen Teilen Europas und Nordamerika, vor allem aber im Osten der Vereinigten Staaten.
Im ersten Schritt war es das „Internet der Dinge“ (engl. „Internet of Things“, kurz: IoT), auf das es Hacker-Gruppierungen abgesehen hatten. Wochenlang durchsuchten sie das Internet nach IoT-Geräten wie IP-Kameras, Netzwerkdrucker, Babyphones, Router, TV-Receiver und digitalen Videorecordern.
Nachdem sie etwa 380.000 dieser Geräte auf ihrer Liste hatten, die mit werkseitig voreingestellten Benutzernamen und Passwörtern versehen15vgl. Bericht auf KrebsonSecurity v. 3. Oktober 2016 waren, infizierten sie diese mit der Malware „Mirai“ – einem schadhaften Quell-Code, der zuvor als „mietbares Mirai-Botnetz für DDoS-Attacken“ im Internet veröffentlicht wurde16vgl. Bericht auf Heise Online v. 25.11.2016.
Diese „gekaperten“ IoT-Geräte wurden im Anschluss dazu missbraucht, sogenannte Distributed-Denial-of-Service-(DDoS)-Attacken auf Internet-Unternehmen vorzunehmen.
Letztlich kam es quasi zu einer Überlastung der Server der Internet- bzw. DNS-Anbieter durch zahlreiche DNS-Lookup-Anfragen von mehreren Millionen IP-Adressen.
In der Folge waren Websites diverser Internet-Unternehmen nicht abrufbar und somit Internetplattformen und -dienste für große Nutzergruppen in Europa und Nordamerika nicht verfügbar, wie beispielsweise Twitter, Reddit, GitHub, Amazon.com, Netflix, Spotify, RuneScape und Quora17vgl. Dyn (company) auf Wikipedia.
Da das US-Unternehmen Dyn zur damaligen Zeit als eine der größten DNS-Service-Anbieter galt, unter anderem sehr viele IP-Adressen vergab, die zur Auflösung von Internetadressen erforderlich sind (siehe z.B. Erklärung zu DNS von Cloudflare), war es ganz besonders von den Cyberattacken betroffen.
Am 21. Oktober 2016 waren gleich drei DDos-Angriffe mit dem schadhaften „Mirai“-Code gegen Dyn zu verzeichnen: zwischen 11:10 und 13:20 UTC, 15:50 und 17:00 UTC sowie zwischen 20:00 und 22:10 UTC (UTC = Weltzeit).18vgl. DDoS attacks on Dyn / Wikipedia
Mit unter anderem diesem gezielten Cyberangriff haben die Hacker-Gruppierungen praktisch das Internet lahmgelegt. Ob auch Asien, Afrika oder andere Kontinente betroffen waren, ist leider nicht ersichtlich (vermutlich indirekt, weil Unternehmen global vertreten waren oder Nutzergruppen anderer Kontinente auf Servern in den USA zugriffen).
Abhängigkeit vom Internet und Cyberkriminalität
Fakt ist: Solange sich das Internet und „Internet der Dinge“ weiterentwickelt, je mehr Geräte mit dem Internet verbunden sind und vor allem je abhängiger Unternehmen, Regierungen, Behörden, Ämter, Verwaltungen, staatliche und kommerzielle Institutionen sowie beruflich wie private Nutzerinnen und Nutzer vom Internet werden (müssen), umso größer ist die Gefahr von Cyberangriffen und damit der Missbrauch von Daten und das widerrechtliche Eindringen in wichtige Einrichtungen.
In Kriegszeiten ist zudem die gesamte Infrastruktur gefährdet. Ob Verkehr, Energie, Trinkwasser- oder Lebensmittelversorgung – alles hängt irgendwie am Netz, am internationalen Netz, am Internet.
Zwar werden alle Bestandteile des Internets laufend perfektioniert, auch die Sicherheitsmaßnahmen. Schließlich lernt man nach jedem Hackerhinweis dazu.
Beispielsweise berichtete Heise Online im November 2021, dass sich das „Mirai“-Botnetz über die Jahre weiterentwickelt habe und neue Namen bekommt, beispielsweise „BotenaGo“. Zudem werden immer wieder Sicherheitslücken aufgedeckt, zum Beispiel brandaktuell von Athene, dem Forschungszentrum für Cybersicherheit in Europa (siehe Bericht von t3n.de).
Letztlich kommt es nur darauf an, wer schneller ist: die Entwickler und Sicherheitsexperten oder die Cyberkriminellen.
Auf jeden Fall spricht man bis heute davon, dass am 21. Oktober 2016 das Internet ausfiel – ein Szenario, das sich jederzeit wiederholen kann.
TIPP: Wer seine IoT-Geräte wie Internet-Router, Smart-Home-Geräte usw. schützen will, sollte auf jeden Fall die Werkseinstellungen ganz schnell auf individuelle Zugangsdaten mit sicheren Benutzernamen und Passwörtern ändern.
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Sämtliche Angaben sind sorgfältig recherchiert – Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Bitte beachten Sie auch die Fußnoten!